Westdeutsche Zeitung Krefeld

Gospel-Academy: Rufend von der Liebe zu Gott erzählen

An drei Tagen üben 310 Sänger mit berühmten Gospel-Stars Stücke ein

(von Martina Nickel.) Gewusel. Hier rufen sich Menschen ein freudiges "Hallo" zu, dort krabbelt ein kleines Kind mit einem Plastikbagger durch die Gegend, mittendurch suchen sich Frauen mit riesigen Kuchentabletts ihren Weg. Die Gospel-Academy hat gerufen und 310 Sänger und Sängerinnen sind für drei Tage in die Montessori-Gesamtschule gekommen. Unter ihnen eine in Sachen Gospel unbedarfte WZ-Redakteurin.
Ein Teil des Chores "Kreuz&Quer" ist zum Beispiel extra aus Hagen herbei geeilt. "Von dem, was ich hier tanke, lebe ich drei Wochen lang", erklärt Björn Litschke mir. Und seine Kollegen pflichten ihm bei. Hier gebe es einfach ein tolles Gemeinschaftsgefühl. "Jedes Jahr kommen ein paar mehr. Der Virus springt über", freut sich Ulrike Schuster.

Viel mehr dürfen es aber nicht werden, sonst muss Organisatorin Angelika Rehaag demnächst eine riesige Halle anmieten. Jetzt schon stehen die Stuhlreihen im Foyer dicht an dicht, füllen sich nach und nach mit erwartungsvollen Academy-Teilnehmern. Gut gelaunt ruft Angelika Rehaag auch die letzten noch verstreuten Sänger zusammen und legt los, lässt die Arme kreisen, die Füße wippen, zieht die Achseln hoch. Wir machen es ihr nach und dabei offensichtlich eine ziemlich dämliche Figur. "Sehe ich auch so vorteilhaft aus, wie ihr?", witzelt die Chorleiterin. Die Übungen, erklärt sie später, seien zur Lockerung da - auch, um die Stimme zu schonen. Gospels hätten schließlich nichts mit Belcanto zu tun, das ginge eher in die Richtung "shout" (rufen). "Der Sänger will seine Liebe zu Gott mitteilen."

Klingt nach harter Arbeit und so klärt Michael T. Shaw - einer der berühmten amerikanischen Gospelsänger, die extra nach Krefeld gekommen sind, folgerichtig auf: "Singing in a choir is hard work!" Na gut, wir sind ja auch nicht zum Spaß hier, oder? Und schon geht's los. Nachdem Edwin Hawkins angestimmt hat, tönt es ihm aus 310 Kehlen entgegen. Fast perfekt, so scheint es mir. Ich dagegen verhaspele mich, haue schon mal mit dem Ton daneben. Kunststück, haben die anderen doch schon vorher per Cassette üben können, wie ich später erfahre. Edwin Hakins ist trotzdem nicht so recht zufrieden. "Weep, weep", quietscht er in höchsten Tönen. Alles lacht und dem Sopran ist nun klar, was falsch war. Die Stimmung ist locker, die Sänger gehen mit. Da sage noch einer, Deutsche könnten keine Gospels singen.

Ruckzuck sind mehrere Lieder eine erstes Mal durchgeprobt. Pause. Brote werden ausgepackt, Thermoskannen gezückt. Wer nichts mitgebracht hat, wird bestens von den Frauen versorgt, die in der Schulküche duftende Kuchen und deftige Frikadellen zaubern.

Björn Litschke und seine Kollegen vom Chor "Kreuz&Quer" haben es sich schon mal in der Turnhalle nebenan bequem gemacht. Dort übernachten zahlreiche von weit her angereiste Teilnehmer, andere haben die extra-günstigen Angebote von City- und Garden-Hotel genutzt. In der Turnhalle sei es aber spaßiger, macht Björn Litschke den harten Hallenboden schmackhaft. "Letztes Jahr haben wir hier bis 4 Uhr erzählt und gesungen."

Auf der Bühne klatscht es: "Auf, auf, es geht weiter!"

(Artikel der Westdeutschen Zeitung Krefeld, Martina Nickel, vom 20.10.2001)

Zurück